Der Seebueb
Wieso ein Buch über den Zürichsee?
Eingebettet zwischen Pfannenstiel und Zimmerberg ist der Zürichsee gröss-tenteils von heterogenem Siedlungsraum umgeben. Als grossmassstäbliches und dominantes Landschaftselement der Region besitzt er das Potential, die städtebauliche Zukunft der ihm anliegenden Gemeinden anzuleiten und als «symbolische Mitte» die Metropolitanregion Zürich zu strukturieren.
Gegenwärtig kann der Zürichsee dieses Potential kaum ausschöpfen, da di-verse politische, administrative und mentale Grenzen die Wahrnehmung des Seeraumes fragmentieren. Die stark eingeschränkte öffentliche Zu-gänglichkeit entlang des Ufers verstärkt diese zusätzlich. Das «Leitbild Zü-richsee 2050» des Kantons Zürich stellt zwar einen ersten Schritt in Rich-tung Überwindung der starren Gemeindegrenzen dar, allerdings endet auch diese Planung an der Kantonsgrenze. Gegenwärtige Planungsprojekte werden oftmals von Partikularinteressen der Kantone, Gemeinden und Pri-vateigentümer geleitet, so dass sich die Planungen allzu oft am momentan Gangbaren anstelle am langfristig Erwünschten orientieren.
An dieser Stelle setzt unser Buch mit den Erlebnissen des Seebuebs an. Es soll jene kollektiven Traumbilder anregen, die am Anfang jeder relevanten Planung stehen. Um wegweisende und grenzüberschreitende Planungen re-alisieren zu können, ist nicht nur eine Gesellschaft notwendig, die Planungs-prozesse unterstützt, sondern ebenso eine, die bereits vor einer Planung ak-tiv Visionen mitprägt. Der Zürichsee soll in diesem Sinne als Möglichkeitsraum entdeckt werden – als Projektionsfläche gesellschaftlicher Träume.
Der Begriff Seebueb stammt aus dem 18. Jahrhundert, einer Zeit, in der die städtisch konservativen Kreise ihre aufmüpfigen Untertanen am Zürichsee als «Seebuebe» bezeichneten. Er stand sinnbildlich für das Verhältnis der väterlichen Obrigkeit zu den noch unmündigen Kindern. Wir sehen in die-ser aufmüpfigen, unmündigen, geselligen und naiven Figur des Seebuebs die Möglichkeit, den Seeraum neu wahrzunehmen und festgefahrene De-batten über Grundeigentum und Öffentlichkeit durch ihn zu überwinden. Er begegnet der Wirklichkeit mit einem fantasievollen Blick, interpretiert den Seeraum samt seiner baulichen Umgarnung um und denkt die beste-henden räumlichen Strukturen und Elemente ungezwungen weiter. Seine historische und charakterspezifische Grenzen- und Narrenfreiheit wird durch die Wiederentdeckung der alten Uferlinie, der sogenannten «Konzes-sionslinie», begleitet. Sie ist das planerische Pendant zur narrativen Figur des Seebuebs: Ihr Verlauf führt quer über Parzellengrenzen und durch Ge-bäude hindurch und reicht an gewissen Stellen gar über die Seestrasse hin-aus, wodurch sie die bestehende bauliche Ordnung negiert. Durch die Über-lagerung der bestehenden baulichen Struktur mit der Eigenlogik der Konzessionslinie und dem freien Herumschweifen des Seebuebs entsteht die Möglichkeit einer neuen Wahrnehmung des Seeraumes.
Gemeinsam stellen sie den bisher fehlenden Zusammenhang und eine räumliche Kontinuität entlang des Ufers her und verwandeln die ursprüng-lich negativ konnotierte räumliche Fragmentierung in eine wundervolle Entdeckungsreise.