Die Schönheit des Katasterplans
Der Katasterplan ist zugleich das unbeweglichste und beweglichste Element der Stadt: Die Idee des Eigentums, die seine Grundlage bildet, überdauerte Weltkriege und Grossbrände. Doch eigentlich sind die abstrakten Linien nur durch einige Messingbolzen mit der physischen Wirklichkeit verknüpft.
Die Kraft dieser Linien ist gewaltig und kaum zu überschätzen. Sie bestimmen massgeblich die physische Form der Stadt, da sie den Rahmen und Ausgangspunkt für jedes architektonische Projekt bilden. Zugleich hinterlassen sie ganz direkte Spuren in Form von Zäunen, Hecken und Farbwechseln in Häuserfassaden.
Die Verschiebung erzeugt zunächst eine ungewohnte, fragmentierte Idee der Stadt und stellt eine fantastische neue Ordnung dar, die aus der alten erwächst, von dieser definiert ist. In dieser neuen Anordnung gelten die gewohnten Regeln, produzieren jedoch durch das verschobene Verhältnis zwischen Parzellengrenze und gebautem Bestand eine völlig neue Ausgangslage zum Weiterbau der Stadt. Diese neue Stadt schöpft aus dem Kapital des Bestands: aus dem Kapital des physisch Gebauten, sowie aus dessen rein abstrakter, bürokratischen Struktur. Die verschobene Überlagerung dieser Strukturen stellt bestehende Konventionen, die Grundfesten der Stadt, in der wir leben, in Frage. Es entstehen Möglichkeiten zu vielfältigen Stadtformen von bisher ungeahntem Beziehungsreichtum innerhalb der städtischen Materie, indem der Text der Stadt mittels der ihm eigenen Gesetzmässigkeiten auf neue Weise fortgeschrieben wird.
Konkret werden die starren typologischen Trennungen aufgehoben. Einzelne Gebäude können zu Grossformen verbunden werden und somit Qualitäten unterschiedlicher Typen vereinen. Da Stadt nicht mehr in Zonen, sondern von der Parzelle aus gedacht wird – nach der Katasterplan-Verschiebung verfügt jede Parzelle über eine andere maximal zuläsige Ausnutzung – entsteht eine neue morphologische Vielfalt. Die Parzelle wird vom einzelnen Haus befreit. Durch notwendige Verbindungen entstehen komplexe geometrische Figuren und Wohnformen, die über eine zuvor undenkbare Grosszügigkeit verfügen: So gibt es nach der Katasterplan-Verschiebung »die Wohnung in drei Häusern«, »die Wohnung von der aus ich in mein eigenes Fenster blicken kann« oder »die Wohnung über der Strasse«.